schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Sonntag, 22. Januar 2012

federträume


/c/ dieter vandory, nur einen moment, 2012




dein nachtauge, schmal
umrandet von gefiederten

träumen, entlang der lidfalte
will ich wachen und

im graulicht des morgens dir
erzählen, was du nicht mehr weißt




/c/ monika kafka, 01/12

Sonntag, 15. Januar 2012

vanitas

Als ersten Gast im Neuen Jahr begrüße ich auf meinem Blog die Autorin, Fotografin und Malerin
Isabella Kramer http://veredita.blogspot.com/


1957 in der Lüneburger Heide geboren, lebt sie heute in Celle / Niedersachsen.


Von frühester Jugend an dem Wort und den Farben eng verbunden, schreibt sie Lyrik und Kurzprosa, die sie oft mit eigenen Aquarellen oder Fotografien illustriert.


Es ist der Blick auf das Kleine, Unscheinbare, den sie festzuhalten sucht.
"Der Blick, abseits des Weges, die Sicht auf die Kleinigkeit, auf das Detail", ist eines ihrer Anliegen, "weil gerade das, was unbedeutend erscheint oft mit Hoffnung und Wandlung verbunden und damit von großem Wert ist".


Isabella Kramer hat in mehreren Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht und arbeitet derzeit an ihrer ersten eigenen Publikation.





/c/ Isabella Kramer, 2012





am ende deckt das meer
mit weichen tüchern
die letzten reste lebens
tröstend zu


schließt so den kreis
und öffnet ihn ins morgen
fragt nicht nach sinn
sagt einfach nur: es sei





/c/ Isabella Kramer, 2012
  

Freitag, 6. Januar 2012

Traum_Wanderung


/c/ Dieter Vandory, Verschlungene Wege, 2012









Nachts mache ich mich manchmal auf den Weg.
Im Schutz der Dunkelheit suche ich nach etwas, was es nicht mehr gibt.
Ich werde also niemals ankommen, aber das ist ganz gut so.
Ich kann niemals enttäuscht werden. Laufe keine Gefahr, als Fremde vor einem fremd gewordenen Ort zu stehen. Als eine, die aus der Zeit und der Szene gefallen ist.

Ich gehe langsam. Lausche, rieche, schmecke.

Im Winter den brandigen Geruch von Holzfeuer über schneebedeckten Tannen. Das tiefe Stöhnen des Waldes. Den verirrten Flügelschlag eines Vogels. Und ich sehe einen Himmel, der es aufgegeben hat, seine Sterne zu zählen. Ich verliere mich regelmäßig darin.
Meine Beine werden seltsam schwer und ich versinke, bevor ich das Dorf erreichen kann.

Im Sommer aber, wenn der Wald die warmen Tage ausatmet und der Boden den Schritt federt, kann es gelingen. Dann sehe ich das Kind auf dem altmodischen ausgeklappten Sessel wieder. Durchs geöffnete Fenster rauscht der Maulbeerbaum den Sonnentag in die kleine Stube. Greift mit seinen Armen nach dem krank daliegenden, als wolle er es hinaus ziehen. Zu den gackernden Hühnern und schnatternden Enten. Zu den Blumen und dem frechen Jakob, den Großmutter durch den Winter gebracht hatte. Sein Flügel war verheilt und bald würde er wieder zu den anderen Raben zurückkehren. Solang Großmutter noch mit ihm schimpft und danach unbekümmert ihre Lieder in der Küche singt, weiß das Kind, dass die Welt in Ordnung ist. Trotz Ziegenpeter und Kamillentee.
Ihre Stimme legt sich samtig um den schmerzenden Hals, glättet die rissigen Wunden, und aus dem Märchenbuch steigen später die Feen und Zwerge herauf und nehmen das Kind mit in ihr Reich.

Und dann kommt Mutter. Mit ihren Gesundmachhänden, die sie unter der Woche anderen Kranken leiht, schiebt sie die Fieberträume wie einen Vorhang zur Seite. Sie perlen von der heißen Stirn und der kühlende Atem vertreibt jeden Schmerz.

Nachts mache ich mich manchmal auf den Weg.
Heut ist es wieder soweit.
Ob Mutters Hände mich ein Mal mehr heilen können?



/c/ Monika Kafka, 01/12


Sonntag, 1. Januar 2012

verstummen

/c/ dieter vandory, und unten bleibt die stille, 2012








irgendwann wurden ihre worte immer kleiner.
und kleiner. und kleiner.


dann würgte sie silben.
schließlich erbrach sie buchstaben.


am schlimmsten aber waren die zeichen.

die widerhakenden frage ~  ritzten ihre kehle.
die ausrufe zerschnitten ihre stimme.


am ende erstickte sie beinahe.
an einem punkt.

es heißt, sie lebe heute in einem haus aus papier.
die wände seien durchsichtig.
und es fiele schnee.



/c/ monika kafka, 01/2012


Mittwoch, 28. Dezember 2011

Unverhofft


/c/ Dieter Vandory, zwei, 2011




„Darf ich noch reinkommen?“
Ihr schwarz umrandeter Blick stolperte den Worten hinterher. Fiel durch den Türspalt auf meine Schuhe. Hangelte sich langsam hoch, bis er meinen fand. Und setzte sich darin fest.
Ich öffnete die Tür. Müde löste sich ihr schmaler Rücken vom Rahmen. Ich trat ein paar Schritte zur Seite und ließ sie ein. Treten in mein für ein paar Tage geborgtes Domizil. Sie bewegte sich nervös, fast ungelenk. Der Mantel sprang auf und ich sah, dass sie darunter noch das kleine Schwarze trug. Sie hatte sich also nicht umgezogen nach ihrem Auftritt.
Ich schloss die Tür. Ging zur Bar und goss mir langsam einen Whiskey ein.
„Willst du auch einen?“, fragte ich mit belegter Stimme.
Sie nickte nur, während sie Mantel und Handtasche aufs Sofa gleiten ließ. Ging aufs Fenster zu.
„Schöne Aussicht von hier oben“, sagte sie und lächelte, „wäre es nicht schon dunkel.“
„Ja, und jetzt ist sie wenigstens nicht mehr laut.“ Ich lachte heiser. Räusperte mich.
„Hier, dein Whiskey.“
Wir prosteten uns zu.
Ihre Finger, diese feingliedrigen samtumhüllten Kunstwerke. Sie hatten Spuren auf meiner Haut hinterlassen. Niemals zu Ende gegangene Wege. Wege durch Gletschereis und Wüstensand. Immer schön abwechselnd, dachte ich bitter. Schluckte tief und trocken. Brannte das Getränk meine Kehle hinunter. Und die Frage, was will sie? 
Als ihre Lippen das Glas berührten, färbte sich die Stille rot. Und ihre Augen lagen darin wie glimmende Kohle. „Das ist gut“.
Sie nickte anerkennend der goldgelben Flüssigkeit zu.
„Schön, dass du gekommen bist“, sagte sie unvermittelt. Drehte sich kurz weg, um das Glas auf dem Schreibtisch abzustellen. Als sie danach meinen verständnislosen Blick auffing, fügte sie hinzu: „Zum Konzert, meine ich.“
„Du warst phantastisch“, entgegnete ich. „Unglaublich, wie deine Stimme gereift ist. Die tiefen Töne vibrieren förmlich. Sie sind rund und doch rau, man kann Abgründe dahinter erahnen.“
Sie winkte ab. „Ach was, in Wahrheit bin ich einfach nur alt geworden und muss mein Repertoire danach ausrichten. Aber es freut mich dennoch, dass es dir gefallen hat. Und woran arbeitest du gerade?“, fragte sie und deutete auf meinen Laptop. „Ich habe dich doch hoffentlich nicht gerade dabei gestört, deinen Protagonisten ins Jenseits zu befördern?“
 Der leise Spott in ihrer Stimme war unüberhörbar.
„Ich habe einen neuen Gedichtband publiziert, deshalb bin ich auch in dieser Stadt. Der Verlag ist der Ansicht, dass Signierstunden dem Verkauf förderlich seien … Na ja, davor lese ich natürlich auch. Du siehst“, sagte ich, „der Zufall hat uns zusammengeführt nach so langer Zeit. Der Zufall und die Kunst.“
„Ist das nun gut oder schlecht? Ich meine, glaubst du an die Strategie des Verlags?“
Sie blickte mich lauernd an. Ich war überzeugt, sie hatte längst bemerkt, dass meine Selbstsicherheit nur eine gespielte war. Dass meinen Lippen Worte entkamen, die nicht mit meinen tatsächlichen Gedanken überein stimmten. Bevor ich antwortete, nahm ich einen tiefen Schluck von meinem Whiskey. Er war in meiner Hand bereits warm geworden.
„Ja, warum auch nicht?“, flüsterte ich und sah sie unverwandt an.
„Ich müsste mal … dringend“, sagte sie und blickte sich fragend um.
„Geradeaus und dann links“, antwortete ich und ließ mich auf die Couch fallen. Hoffte, die kurze Zeitspanne, in der sie nicht anwesend war, nutzen zu können. Meine Gedanken zu sortieren, die längst nicht mehr um die Frage kreisten, was sie denn eigentlich wollte. Sondern darum, wo ich in dieser Situation stand. Und meine Pappmacheebeine zu entlasten. Das war doch nicht möglich, dachte ich immer und immer wieder.
Wie zerbrechlich sie doch wirkte. Und abgespannt. Wie nach einem langen beschwerlichen Weg, der nichts mit dem heutigen Auftritt zu tun hatte. Ich wusste um ihre Schatten. Um ihr Straucheln. Ihre Verzweiflung. Wir waren einander nah geblieben. Im Wort. Und den Rest erfuhr ich aus der Presse. Die war ja schon immer gnadenlos. Das wusste ich mittlerweile selbst zur Genüge.
Ich stand auf, schenkte mir nach. Wunderte mich. Sie blieb schon zu lange weg. Die Tür zum Bad war nicht ganz geschlossen. Alles in Ordnung, fragte ich und spähte hinein. Sie stand aufgestützt am Waschbeckenrand, den Blick im Spiegel verloren. „Endlich“, sagte sie und drehte sich langsam um.
Ihre Lippen schmeckten nach Walderdbeeren und bitterem Verzicht. Meine Hände legten die Röte frei. Blattunter nistete die Wärme des Wüstensandes. Ließ Gletscher schmelzen. Ihre Brüste wölbten sich mir entgegen. Und in unseren Atem mischte sich die Melodie des ewigen Windes, der Glimmendes entfacht zum zügellosen ...
Es klopfte.
„Ihr Taxi, Madame, es wartet.“
Amy Sörensen klappte das Buch zu, ergriff ihren Koffer und verließ das Hotelzimmer.



/c/ Monika Kafka, 12/2011

Freitag, 23. Dezember 2011

Ich wünsche ...

/c/ Monika Kafka, 2011




... allen meinen LeserInnen
Frohe Weihnachten und
ein gesundes Neues Jahr 2012!

Eure MOnika

Mittwoch, 21. Dezember 2011

klage

/c/ dieter vandory, verneigung vor dem licht, 2011





Mutter, es heißt
bald sei wieder weihnacht
und aufgerüstet wird zum fest


die warnungen vor terror werden
dichter_verleumdung sprießt
und unverhohlen hass


vereist sind mir die wege und bunt
nur wünsche in den bäumen
im kranz erstarrt

die eingeflochtnen worte
der engel friert auf deinem grab


ein jämmerlicher wind
geht durch die herzen löscht
eins ums andere der lichter aus


Mutter,
bald ist wieder weihnacht und ich
kann nimmermehr nach haus





/c/ monika kafka, 2011